Der erste Eindruck vom westlichen Tiergarten: Hier ist wenig los. Die Familien und Jogger treiben sich in anderen Bereichen herum. Verhuscht zieht ein ominöser Mann seine Bahnen um die wenigen Menschen, die hier sitzen. Das sieht im Görli anders aus. Die Toilette solltest du lieber nicht benutzen, empfiehlt mir eine Anwohnerin. Ob wegen der mangelnden Pflege oder anderer Gründe lässt sie offen. Wir ziehen am überraschend kleinen Rosengarten im Englischen Garten vorbei weiter in den nördlichen Bereich. Baumalleen, ein bescheidener Wasserlauf und viel Grün begleiten uns. An der Rüsternallee steht die Denkmalgruppe, die bei mir Fragen aufwirft: die Krieger Gruppe.
Haben die Figuren einen realistischen historischen Bezug?
Die Krieger Gruppe besteht aus vier Figuren von vier unterschiedlichen Bildhauern. Sie zeigen den Abschied von der Familie, den Kampf, die Pflege eines Verwundeten und die Heimkehr. Die Figur „Auszug des Kriegers“ stammt von Hermann Wittig, die „Schanzenstürmung“ von Rudolf Schweinitz, „Der verwundete Krieger“ von Ludwig Brodwolf und „Die glückliche Heimkehr“ von Alexander Calandrelli. Die vier Sandsteinskulpturen entstanden im ausgehenden 19. Jahrhundert. Die vier Künstler waren ordentlich am Schaffen in Berlin. Von Calandrelli, Brodwolf und Schweinitz stammen beispielsweise auch die künstlerischen Verzierungen des Roten Rathaus, bekannt als Steinerne Chronik. Militärhistoriker erkennen wahrscheinlich schon an der Kleidung und Ausrüstung, welche militärische Auseinandersetzung thematisiert sein könnte. Für mich ist das selbst nach dem Googeln nicht klar. Ist grundsätzlich nicht wichtig, aber dennoch eine der Fragen, die sich mir stellten. Ebenso wenig lässt sich zu dem Leben der Künstler abseits ihres beruflichen Werdegangs rausfinden. Ich fände es interessant, zu wissen, ob sie selbst an Kriegen teilgenommen haben und ihre Erfahrungen miteinfließen haben lassen oder nicht.
Wie sah der Verwundete ursprünglich aus?
Dass Figuren, die aus dem 19. Jahrhundert stammen, nicht tippitoppi aussehen, ist nachvollziehbar. Zumal die vier immer mal wieder umziehen mussten. Zunächst standen sie an der Königsbrücke auf dem Alsenplatz zusammen mit den vier Allegorien der deutschen Ströme. An diesen Skulpturen waren auch Schweinitz und Calandrelli beteiligt. Die Allegorien stehen heute ebenfalls im Tiergarten. Sie umgeben den Tritonbrunnen. Als der Königsgraben 1882 zugeschüttet wurde, zog die Krieger Gruppe ein paar Meter weiter auf den damaligen Königsplatz.
Da entsprach sie aber in den 30er Jahren nicht den Plänen Speers für die „Welthauptstadt“ und landete letztendlich im Tiergarten in der Nähe des heutigen Haus der Kulturen der Welt. Bei den einzelnen Skulpturen lassen sich der Zahn der Zeit und die Spuren des Zweiten Weltkrieges ablesen. Ausgerechnet dem verwundeten Krieger und seinen Begleitern fehlen die Köpfe. Bei den anderen Figuren sind teilweise Einschusslöcher zu sehen. Ihr Zusammenhang als Ensemble mit dem Thema Krieg lässt sich für den ungeübten Betrachter nur schwer erkennen. Langsam verwittern sie als Bild für die Phasen eines Krieges vor sich hin. Schade drum, denn die Figuren sind in ihrer Ausarbeitung filigran bis hin zu den Kleiderfalten. Ein paar erklärende Schilder würden dem Ensemble keinen Abbruch tun.