Auf der Suche nach Sonne und frischer Luft fiel unsere Wahl beim letzten Spaziergang auf den Friedhof Georgen-Parochial. Um präziser zu sein, Georgen-Parochial I, denn ursprünglich existierten dank der großen Gemeinde fünf Friedhöfe mit diesem Namen. Der Erste liegt im Prenzlauer Berg an der Greifswalder Straße. Direkt daneben befindet sich der Friedhof St. Marien-St. Nikolai. Früher waren die beiden Friedhöfe getrennt, heute ist die Mauer zwischen ihnen teilweise entfernt und der Übergang kaum bemerkbar.
Prominente letzte Ruhestätten
Die Geschichte des Friedhofs geht zurück bis ins 19. Jahrhundert und entsprechend alte Gräber lassen sich hier entdecken. Dabei sind hier einige heutzutage vergessene Prominente beerdigt. Dazu gehören beispielsweise die Grabstellen der Brauerfamilie Bötzow, des Pädagogen Johann August Zeune, der die erste Blindenschule in Deutschland eröffnete oder die Grabanlage der Familie Pintsch. Die lässt sich im Gegensatz zu manch anderen Gräbern nicht übersehen. Sie sieht aus wie ein Tempel mit Säulen. Pintsch war ein Industrieller, dessen nach ihm benannten Pintsch-Bojen unter anderem beim Bau des Suez-Kanals zum Einsatz kamen. Die weiteren Persönlichkeiten haben wir bei unserem Spaziergang anscheinend einfach übersehen. Zumindest die Bötzows wären uns bekannt vorgekommen. Beim nächsten Besuch achten wir dann mehr auf die Gräber. Die Grabstelle des Architekten Zeitlers soll beispielsweise ein neugotisches Mausoleum mit Farbmosaiken sein. Ab den 70er Jahren war der Friedhof geschlossen und erst in den 90ern erfolgte wieder eine Öffnung. Eine Besonderheit des aktiven Friedhofs ist ein Bereich, auf dem, seit 2014, ausschließlich Lesben bestattet werden. Wusste bisher nicht mal, dass es so etwas gibt. Der Teilbereich ist anhand einer Fotowand zu erkennen.
Bienenstöcke und Hochbeete
Der Friedhof entstand auf einem Weinbergsgelände. Wenn in Berlin von einem Berg die Rede ist, kichern echte Bergbewohner. Der sanfte Hügel ist kaum wahrzunehmen. Das Entspannende auf dem Friedhof ist hier nicht nur die Ruhe, sondern die Natur, die sich den still gelegten Teil zurückerobert. Den Bäumen, Sträuchern und Tieren haben die 20 Jahre Nichtnutzung weniger geschadet als den alten Gräbern. Aus dem 19. Jahrhundert sind nur vereinzelte Grabsteine und Mausoleen gepflegt und restauriert. Aber gerade der Teil des Friedhofs, der besonders verwildert und ungepflegt ist, hat einen eigenen Charme. Zumal der Verkehrslärm nur in der Ferne zu hören ist und hier nur vereinzelt Menschen anzutreffen sind. Tatsächlich haben Gutachten festgestellt, dass hier Käfer- und Spinnenarten ein Zuhause haben, die auf der Roten Liste stehen. Die muss ich jetzt aber nicht unbedingt sehen. Sehenswert ist aber der Bereich, den die Grüne Liga als Grünen Lernort nutzt. Hier summen Bienen, stehen Bienenstöcke und Hochbeete. Dazwischen sind Tafeln verteilt, die auf einen Fuchsbau hinweisen oder über die Bedeutung der einzelnen Pflanzen vor Ort informieren.
Der Georgen-Parochial Friedhof ist nicht riesig, aber groß genug für einen entspannten Spaziergang, der sich bis zu einer Stunde hinziehen kann. Kommt darauf an, welchen Weg Besucher wählen. Wir hielten uns vor allem am Rand auf und bekamen so die älteren Gräber zu sehen. Ursprünglich ging es uns ja nur darum, die Menschenmassen im Park zu meiden und etwas Sonne und Natur zu genießen. Aber der Abstecher hat noch viel mehr gebracht und uns sogar etwas Berliner Stadtgeschichte vermittelt. Direkt bei uns in der Nähe liegt ein weiterer Friedhof, der steht dann beim nächsten Lagerkoller an …