Meer geht bei mir immer. Aber Norderney ist wirklich weit weg von Berlin. Und in Coronazeiten löst die lange Zugfahrt doch etwas Beklommenheit aus. Wer will, kann mit Auto hinfahren. Aber das Auto ist auf der Insel ziemlich nutzlos und die Anfahrt ist mit dem Zug zumindest von Berlin aus kürzer. Auf Norderney gibt es nur eine große Gemeinde und der Rest ist Natur. Der Ort heißt wie die Insel Norderney und hat Stadtrecht. Nun ja, mittlerweile habe selbst ich gelernt, dass die Bezeichnung Stadt nichts über die Größe aussagt. Wer gut zu Fuß ist, kann sich die Stadt Norderney mühelos an einem Tag angucken, ohne allzu erschöpft zu sein.
Norderney Stadttour
Zu sehen gibt es in Norderney neben vielen auf Touristen ausgerichtete Geschäfte und Restaurants einige Spuren der Vergangenheit der Insel. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal fand ich besonders interessant, weil es aus den unterschiedlichsten Steinen besteht und eine leichte Überarbeitung durchmachte. Das Denkmal erinnert an die Entstehung des Deutschen Reiches und ist ein Obelisk, der aus mehr als 50 unterschiedlichen Steinen besteht. Die Felsbrocken stammen aus verschiedenen deutschen Städten und haben teilweise ihren Ursprung eingraviert. Den Stein aus Berlin habe ich leider nicht gefunden, aber es macht Spaß zu sehen, woher die jeweiligen Steine kommen. Der aus Berlin herangeschaffte Stein ist angeblich der schwerste mit einem Gewicht von sechs Tonnen. Früher schloss ein Reichsadler den Obelisken ab und an der Front war eine bronzene Büste des Kaisers montiert. Die Bronze wurde im Ersten Weltkrieg für Waffen eingeschmolzen und der Reichsadler wurde nach dem Ersten Weltkrieg abmontiert. Viel eleganter und symbolträchtiger ist sowieso die Möwe, die jetzt anstelle der Kaiserbüste steht. Sie versinnbildlich die Nordsee.
Eine grüne Fläche inmitten der Stadt ist die Napoleonschanze. Die Napoleonschanze entstand Anfang des 19. Jahrhunderts und ist heute ein Kurpark. Ursprünglich diente die Schanze mit Wall und Geschützstellung den Soldaten Napoleons als Stützpunkt, um Schmuggel zu verhindern. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Aber wer die Geschichte kennt, kann sich im Park vor Augen führen, dass vor 200 Jahren hier die Insel fast zu Ende war. Das Meer war nur wenige Meter zu dieser Zeit entfernt. Im Park liegt idyllisch eine Waldkirche.
Was wir auf dem ersten Blick nicht sehen, ist die recht problematische Geschichte dieser Kirche. Denn der große Stein, der für uns Unwissende wie ein Altarstein aussieht, ist in Wirklichkeit ein Gedenkstein an Horst Wessel. Der von den Nazis so verehrte Kämpfer für nationalsozialistische Ideen bekam hier einen Stein mit Inschriften und Symbolen. Diese sind mittlerweile entfernt, aber der Gedenkstein ist immer noch da. Nur einige Gehminuten weiter liegt die einzige Inselwindmühle Niedersachsens. Sie steht unter Denkmalschutz und bietet heutzutage, wenn sie geöffnet ist, regionale Küche.
Kaninchen überall
Das Wildleben auf Norderney ist eher was für begeisterte Ornithologen. Am Meer stelle ich immer wieder fest, dass es verschiedene Möwenarten gibt. Aber nicht nur Möwen, sondern allerlei andere Vogelarten gibt es hier zu entdecken. Da bin ich nicht so bewandert und unterscheide nur zwischen neckisch süßen und reizlosen und großen und kleinen Vögeln. Die treiben sich aber nicht nur am Meer und Wasser rum. In den Dünen, aber auch auf der Insel habe die Vögel so viele Rückzugsmöglichkeiten, dass es schon beeindruckend war, so zahlreiche unterschiedliche Arten zu sehen.
Für die Anwohner eine selbstgeschaffene Plage und für mich herzallerliebst waren die überall anzutreffenden Kaninchen. Noch viel spannender war für mich die Chance, Robben und Seehunde zu sehen. An schönen Tagen gibt es an einem Ende der Insel Bereiche, auf denen sich die Robben ausruhen. Aber September und Oktober sind leider nicht mehr die Monate, an denen sie noch auf der Insel anzutreffen sind. Die Alternative sind dann Bootstouren zu Robbenbänken. Die starten vom Festland in Norddeich.
Der Leuchtturm in der Mitte Norderneys
Der Leuchtturm von Norderney ist durchaus einen Ausflug wert. Um ihn herum liegen Campingplätze, ein Golfplatz und ein Flugplatz. Selbst wer nicht raufkraxelt, hat einen netten Ausblick von der leichten Anhöhe und bekommt was zu sehen. Der Leuchtturm wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert gebaut und ist das höchste Bauwerk der Insel. Für Technikbewunderer lohnt sich der Aufstieg, denn die Glaskuppel gibt den Blick auf die Anlage frei. Das Besondere an dem Leuchtturm ist, dass sich Leuchtfeuerlinse links herum dreht, was in Deutschland einzigartig ist. Ansonsten gibt es vom Leuchtturm aus natürlich auch einen einwandfreien Ausblick auf die Insel.
Auf zum Wrack
Für kleine Wandertouren bin ich ja immer zu haben und dementsprechend machten wir uns auf zum anderen Ende der Insel, wo es ein Wrack am Strand zu entdecken gibt. Das Wrack ist ein Schiff aus den 60ern und bunt bemalt. Ironischerweise wollte der Muschelbagger „Capella“ ein anderes festsitzendes Schiff befreien und lief selbst auf. Während das zu befreiende Boot freikam, blieb der Muschelbagger stecken. Das Wrack ist nicht sonderlich spektakulär, aber ein nettes Ziel für eine Wanderung, zumal der Weg durch die Dünen, Salzwiesen oder am Strand lang führt. Wir wählten für die Hintour zum Wrack den Weg über die Salzwiesen und zurück dann den Strand. Auf dem Weg hin hieß es Schuhe und Socken aus, weil wir auf manche feuchte Stellen trafen. Den Großteil der Strecke waren wir mit den Wildvögeln nahezu völlig allein und die unwirkliche Landschaft war beeindruckend.
Noch eindrucksvoller wäre sie ohne Nieselregen und mit Temperaturen über 20 Grad gewesen. Das Wrack liegt an der Rattendüne, und im Frühling und Sommer gibt es hier sogar Robben zu entdecken, die sich weiter entfernt ausruhen. Auf dem Weg zurück begleiteten uns am Strand dann die verschiedensten Muscheln. Hier werden Sammler glücklich. Angeblich gibt es sogar Bernstein zu finden. Insgesamt kommt die Strecke auf rund 14 Kilometer. Wegproviant ist also dringend zu empfehlen.