Unser Zielort Lipova liegt in einer doch eher abgeschiedeneren Region Tschechiens. Die Anreise von Deutschland aus geht am besten mit Auto, denn mit der Bahn wäre es ein spannendes Unterfangen mit viel Umsteigen und Warten um hierher zu kommen. Die Region Jesenik blickt auf eine lange Geschichte als Kurregion zurück. In Lipova beispielsweise entwickelte Johann Schroth eine eigene und fragwürdige Kur. Was aber unwiderlegbar ist, ist die Schönheit der Berge und Wälder und die frische Luft. Die Heilquellen und die Wirkkraft des Heilwassers mögen andere beurteilen. Die Abgelegenheit und die natürlichen Hindernisse durch das Gebirge sind sowohl von Vor- und Nachteil für die Gegend. Lange Zeit galt sie als ärmste Region Tschechiens. Der Tourismus ist hier von wesentlicher Bedeutung. Das zeigt sich auch in Lipova, wo sehr gepflegte Kurhäuser neben verfallenen, leerstehenden Gebäuden das Bild prägen. Für Wandersleut und Naturfreunde gibt es in der Nähe einige schöne Ziele zu entdecken.
Knoblauch und Käse
Ein für mich sehr wichtiger Aspekt beim Reisen ist die jeweilige heimische Küche. In Jesenik steht auf jedem Feld eine Kuh. Dementsprechend viele Milchprodukte gibt es. Was bei einem typischen tschechischen Frühstück nicht fehlt, sind eine enorme Bandbreite an Marmeladen und Rohlik. Rohlik sind an Hörnchen erinnernde geschmacklose Brötchen. Asche auf mein Haupt, aber so habe ich diese Backwaren wahrgenommen. Da ihr eigener Geschmack nicht so intensiv ist, eignen sich die Stangen bestens, um allerlei Zeugs raufzuschmieren.
Meine Perspektive ist immer eine vegetarische. Für Fleischesser gibt es viele Wildgerichte und Suppen. Unbedingt probieren sollten Allesesser die Knoblauchsuppe. Die gibt Kraft und frischen Atem. Ein Highlight sind die Nachspeisen: Palatschinken in allen erdenklichen Varianten. Was mich am meisten begeisterte, waren der gebackene Käse und die Kartoffelpuffer. Der gebackene Käse „smažený sýr“ kommt meist mit Kroketten und ganz wichtig: Immer Tartarsoße dazubestellen, sonst ist das Ganze etwas trocken.
Sowieso lohnt es sich, der Garnitur einen näheren Blick zu widmen. Denn in kaum einem anderen Land habe ich so leckeren Krautsalat gegessen wie hier. Aber zurück zu den Kartoffelpuffern. Tschechische Kartoffelpuffer sind von der Würze herber als deutsche. Unbedingt mal probieren.
Das Essen auswärts ist hier überraschend günstig, selbst wenn es mit der Umrechnung in Tschechische Kronen nicht immer so einfach ist. Viele Servicekräfte sprechen zudem mindestens Englisch, manch einer sogar Deutsch. Es schadet aber nicht, zumindest das Danke auf Tschechisch zu beherrschen: Dekuji.
Immer am Wasser entlang: das Opava-Tal
Als Weg der tausend Wasserfälle wurde mir die Wanderung im Opava-Tal angepriesen. Und als wenig anstrengend. Die erste Behauptung traf zu. Bei der zweiten hatten wir unterschiedliche Auffassungen von anstrengend. Dabei hatte unsere kleine Wandertruppe schon die kürzere Route gewählt. Denn wer will, kann vom Tal hinauf zum Praded, dem höchsten Berg des Altvater-Gebirges, laufen. Dafür würde mir eindeutig die Spucke fehlen. Fängt der Wanderweg idyllisch immer an der Bila Opava (weiße Oppa) entlang an, steigert er sich Stück für Stück, sodass kleine Treppen zu Leitern und Felsvorsprünge und die leicht hügelige Landschaft zu einer Klamm werden.
Früher sah es hier aber anders aus, bekam ich oft zu hören. Und damit ist die Zeit Anfang der 90er gemeint. Die Zeit vor den Jahrhundertfluten Ende der 90er und zu Beginn der 2000er, die Tschechien hart erwischten. Ab einer gewissen Höhe ist es möglich, einen Ausblick auf die umliegenden Wälder zu erhaschen, in denen immer noch Schneisen zu erkennen sind, die das Wasser hineingerissen hat. Manche der Brücken, Stege und Treppen, die über die Opava führen, haben schon lange keinen prüfenden Blick mehr erlebt und sind nicht komplett trittsicher. Aber der Weg lohnt sich trotz aller Anstrengung. Denn immer wieder präsentiert sich der Fluss in unterschiedlichsten Formen: als kleines, sanftes Bächlein, als rauschender Wegbegleiter, als Wasserfall oder als aufgestauter See.
Auf dem Wanderweg stehen vereinzelt Bänke und Pausenhäuschen. Hinweisschilder entlang des Weges zum Fluss und zur Landschaft sind leider alle auf Tschechisch. Aber wir brauchten sie nicht unbedingt, um zu erkennen, wie beeindruckend diese Umgebung und wie vielfältig die Pflanzen- und Insektenwelt hier ist. Trotz des Wassers waren wenig Mücken anzutreffen. Für unsere kleine Tour von rund sechs Kilometern brauchten wir schon so fünf Stunden. Wegproviant macht die Wanderung entsprechend leichter und ab und an öffnet sich am Wegesrand eine kleine Quelle mit glasklaren und superkalten schmackhaften Wasser.
Ohne Steigung: Wanderung im Moor
Eine entspannte Tour bietet das Hochmoor Rejviz. Gegen einen kleinen Eintritt führt ein Bohlenweg durch das Moor. Wir wählten die kurze Strecke, die am Sühnteich endet. Hier öffnet sich ein breiterer Steg mit Bänken, sodass es sich kurz hinsetzen und diesen stehenden, verdächtig stillen See genießen lässt. Der Legende nach ist in dem See eine Stadt versunken. Eine andere Überlieferung warnt davor, auf die Hilferufe eines Jungen zu reagieren, da dieser Geist alle in das Moor verschleppt, die sich abseits der Pfade bewegen. Hach, wie herrlich düster.
Am See gibt es keine Mücken, aber dafür umso mehr glitzernde Libellen. Der schwarze See und das Moor herum mit den tiefgrünen Pflanzen sind eindeutig einen Ausflug für Pflanzenfreunde wert. Der Ort Rejviz gilt aufgrund seiner Holzblockhäuser als sehenswert. Vor allem das Gasthaus am Parkplatz ist Ziel vieler Besucher. Hier ist es Tradition, Porträts in die Holzstühle zu schnitzen. Zuerst trugen diese individualisierten Holzstühle nur die Abbilder der Dorfbewohner. Mittlerweile sind unter den Holzstühlen mit Porträts auch Auftragsarbeiten.
Über den Wolken am Šerák
Nach anstrengenden und entspannenden Wandertouren gilt es in Jesenik unbedingt mindestens einen Berg zu besuchen. Beim Šerák geht es besonders einfach mit der Seilbahn. Im Winter ist das hier alles Skigebiet, im Sommer sind die Pisten blühende Wildblumenwiesen und gesperrt. Der Šerák hat eine Höhe von 1300 Metern und bietet seinen Besuchern einen effektvollen Ausblick auf die Umgebung. Die Wanderung nach unten zurück zum Startpunkt ist gut ausgeschildert. Allerdings sind die Wege mitunter ausgewaschen und geröllig von der Schneeschmelze. Hier ist dann wieder festes Schuhwerk gefordert.
Ein Highlight auf dem Weg hinab sind einzelne Steinformationen und der Wechsel der Pflanzen je nach Höhengrad. Ganz wichtiger Tipp, auch wenn es größtenteils durch Wälder geht, nicht die Sonnencreme vergessen. Übrigens gilt es wie in anderen Wanderregionen, entgegenkommende Wandersleut zu grüßen. Ein genuscheltes „Dobry den“ (Guten Tag) oder freundliches Nicken reicht schon.