Ausgangspunkt für unseren Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern war die Inselstadt Malchow. Direkt in der Altstadt hatten wir ein Ferienhaus und erlebten, wie eine Drehbrücke den Alltag bestimmt. Zu jeder vollen Stunde öffnet sich die Brücke für die Schiffe und für zehn bis zwanzig Minuten haben Auto- und Fahrradfahrer und Fußgänger zu warten. Die Insel ist in der anderen Richtung über einen Erdwall erreichbar, aber unsere Wege führten uns meistens über die Brücke. Als Fußgänger achtest du automatisch auf die Zeiten und läufst etwas schneller, als Autofahrer denkst du erst daran, wenn du die wartenden anderen Autos siehst.
Malchow als Luftkurort prägte sich bei mir mehr als Ort des Räucherns ein. Zählt der Geruch der Räucherofen als Kur? Gibt es für das Räuchern so etwas wie eine Saison? Wenn am Tagesende die Touristen in ihren Hotels verschwunden waren, lag die kleine Altstadt ruhig darnieder und präsentierte auf den öffentlich zugänglichen Stegen ihren gesamten Charme. Auf der einen Seite lockte der im Dunkeln beleuchtete Springbrunnen mit einem Blick auf den See und dem die Stadt überragenden Kloster. Auf der anderen Seite zog sich der See flussartig dahin. Hier herrschte mehr Fisch- und Vogelleben mit lachenden Möwen, meckernden Enten und wortkargen Anglern. Unser Ferienhaus mit eigenem Einstieg ins Wasser und Steg war perfekt für Bootstouren, aber auch die Stadt ist einen kleinen Rundgang wert.
Fachwerkhäuser, Rundumblick und Denkmäler in Malchow
An der Drehbrücke haben wir uns nach einigen Tagen sattgeschaut. Der Mechanismus ist faszinierend und der Ablauf unterhaltsam. Sie ist ein technisches Denkmal. Bei unserer eigenen Bootstour waren wir unabhängig von der Brücke, da das gemietete Boot flach genug war. Allerdings stellten wir fest, dass viele anscheinend ohne Bootsführerschein unterwegs waren. Die Regeln bezüglich Geschwindigkeit, Mindestabstand zum Ufer oder Überholen werden von manchen recht freizügig ausgelegt. Aber eine Schiffstour auf den Seen konnten wir uns nicht entgehen lassen, zumal uns Einheimische empfahlen, die großen Dampfer zu meiden.
Das Kloster Malchow
Von der Brücke und dem Hafen in Malchow aus prägt das Kloster die Aussicht. Von Nahem ist die Kirche weiterhin beeindruckend. Das gesamte Kloster hat seine Wurzeln im 13. Jahrhundert, wurde aber mehrfach umgebaut und sein heutiges Aussehen resultiert aus umfangreichen Neubauten im 19. Jahrhundert. Von der Altstadt aus führt der Weg zum Kloster über den Erdwall. Der entstand im 19. Jahrhundert und dadurch ist Malchow eigentlich keine Insel mehr.
Auf dem Weg an den Bootshäusern vorbei, lockt uns ein Wackelsteg an das Wasser. Das ist kein üblicher Steg zum Anlegen oder Angeln, sondern zeigt, wie früher bei unterschiedlichen Wasserständen Wäsche gespült wurde.
In der Klosterkirche ist heute ein Orgelmuseum. Gegen einen kleinen Eintritt von 5 Euro präsentiert das Museum Orgeln und Orgelgeschichte. Wer will, darf selbst zum Organisten werden. Vom Kirchturm aus gibts dann einen tollen Ausblick auf Malchow. Wer die richtige Zeit abpasst und kein Problem mit Lärm hat, kann beim Abstieg die Glocken bei ihrer Arbeit beobachten. Ansonsten präsentiert sich das Klostergelände eher als Baustelle. Zwischen Bauzäunen lugen ab und an Hinweisschilder hervor. Informationstafeln stehen vor den einzelnen Gebäuden und erzählen deren Geschichte. Auf der Suche nach der Toilette kommen wir an einem Atelier und dem Museumscafé vorbei. Beides noch geschlossen – das ist das übliche Los für Besucher außerhalb der Saison. Wahrscheinlich macht das Areal im Frühling und Sommer mehr her, aber der Spaziergang hierher hat sich für den Ausblick gelohnt.
Die Neustadt von Malchow
Im neueren Teil der Stadt hinter der Drehbrücke finden sich Denkmäler zur früheren Geschichte. Im Nationalsozialismus gab es hier ein Munitionswerk und ein Außenlager des KZ Ravensbrück. Die Spuren dieses Teils der Malchower Geschichte mit mehreren Hundert Toten resultierend aus den Arbeits- und Versorgungsbedingungen fällt uns bei einem Spaziergang nicht ins Auge, nur ein Stolperstein auf dem Weg erinnert an frühere Bewohner.
Ein anderes Denkmal erinnert an 30 Jugendliche, denen nach Ende des Krieges von der sowjetischen Besatzungsmacht unterstellt wurde, Angehörige der Werwolf-Organisation zu sein. An Folter und Haftbedingungen starben mehr als zehn von diesen Jugendlichen.
Auf unserem weiteren Rundgang kommen wir an einem Gedenkstein für die sowjetische Armee vorbei und laufen hoch zu der Stadtkirche von Malchow. Von hier eröffnet sich ein Ausblick auf die Stadt und dem See. Von außen sind die Portale der Kirche beeindruckend, zum Zeitpunkt unseres Besuchs jedoch verschlossen. Hier fanden im Oktober 1989 Bittgottesdienste anlässlich der Friedlichen Revolution statt.
Wer genau hinschaut, entdeckt in Malchow auf Schritt und Tritt abseits der aufgehübschten Bereiche verfallene Gebäude und Spuren der langwährenden Geschichte der Stadt.
Am besten lassen sich die Eindrücke abends in der Strandbar „Doc’s Beach“ bei einem leckeren Burger und einem Cocktail verarbeiten. Essenstechnisch lege ich mit vorzüglichem Eis und einer glücklich machenden Auswahl an vegetarischen und omnivoren Gerichten Besuchern auch das Restaurant „Al Porto“ nahe.
Von Affen und Schafen im Affenwald Malchow
Zehn Minuten Autofahrt von der Altstadt entfernt liegt der Affenwald. Für Kinder reizvoll ist die Sommerrodelbahn. Dass die Steigung und das Gefälle durch einen ehemaligen Müllberg entstanden sind, lässt sich ja verschweigen. Im Affenwald direkt zeigte unser Begleitkind, dass frei laufende Berberaffen nicht jedermanns Ding sind. Das liegt wohl daran, dass sie eine gewisse Größe haben. Zunächst haben wir aber im Freigelände erst mal keine Affen gesehen. Sie sind erst im Wald zu finden. Vor allem an den Futterstellen. Aber was den Affenwald für mich so sehenswert machte, waren die Affen, die sich bis auf die obersten Baumspitzen verteilten und es sich in den Kiefern gemütlich machten. Werde ich je wieder durch den Wald spazieren, ohne die Baumspitzen nach größeren Fellkugeln abzusuchen?
Tierschutztechnisch ist der Besuch von solchen Einrichtungen immer fragwürdig. Aber mein tierliebes Herz schmerzte hier wenig. Die Berberaffen haben Platz und Rückzugsmöglichkeiten. Ihre Ursprünge liegen in Marokko und sie sind das ganze Jahr über im Freien, sodass sich der Besuch zu jeder Zeit lohnt. Auf Bänken ließe es sich hier für mich Stunden ausharren, um die spielenden oder ruhenden Affen zu beobachten. Die meisten halten Abstand zu den Menschen, andere kreuzen entspannt die Wege. Wer lediglich die Wege abläuft, braucht wahrscheinlich so zwanzig Minuten, um das Gehege zu durchqueren. Ich finde die fünf Euro Eintritt für Erwachsene gut angelegt. Wer dann noch nicht genug von Tieren hat, kann sich die Schafe näher angucken. In einem anderen Gehege lebt eine Herde der kleinsten Schafrasse Europas. Ouessantschafe kommen ursprünglich aus Frankreich und ehrlich gesagt, kamen mir die jetzt nicht auffällig klein vor.
Waren und die Müritzsee
Waren liegt mit dem Auto nur knapp 20 Minuten entfernt von Malchow. Unter Bootsbegeisterten ist der Hafen von Waren ein Ausflugsziel. Da liegen halt ziemlich viele Boote. Mehr Begeisterung konnte ich dann für einen Brunnen am Hafen zeigen, in dessen Mitte eine Schiffsschraube thronte. Die Stadt ist bekannt für den Schiffspropellerbau. Dass das Wasser im Brunnen sich entsprechend drehte, war für mich schon ein Hingucker. Die Altstadt ist sehr schön restauriert oder instand gehalten. Vor allem die kleinen Gassen abseits der großen Flaniermeile haben ihren Charme.
Die Ursprünge Warens liegen im 13. Jahrhundert. Die Stadt bietet eine eigene App für einen Stadtrundgang, den wir als Inspiration nutzten. Sehenswert sind neben dem Hafen der Markt und die Kirchen St.-Marien und St.-Georgen. St.-Marien öffnet auf Nachfrage bei den freundlichen Mitarbeitern und gegen einen Obolus die Treppe zum Turm. Vom Turmfenster aus eröffnet sich der Blick auf den Hafen von Waren und die Müritz. Aber auch in der Kirche selbst gibt es einiges zu sehen. Hier finden neben Gottesdiensten regelmäßig Ausstellungen statt. In der St.-Georgen-Kirche ist die Ausstattung üppiger. Mich begeisterten dort vor allem die Buntglasfenster.
Einen Überblick über das Tierleben in der Müritz gibt das Müritzeum. Bei schlechtem Wetter lässt sich hier bestimmt unterhaltsam die Zeit rumbringen. Da bei unserem Ausflug aber die Sonne schien, entschieden wir uns gegen einen Besuch.
Auf den Spuren der Slawen
Die Ursprünge vieler Städte rund um die Mecklenburgische Seenplatte liegen bei den Slawen. Der Warnower Stamm war unser Tagesthema, als wir erst eine kleine Wandertour entlang des Flusses Warnow machten und uns dann das Freilichtmuseum in Groß Raden ansahen. Von Malchow aus brauchten wir zu unserem Startpunkt mit dem Auto eine Stunde.
Unsere kleine Wanderung folgte den Schildern der Warnow-Durchbruchstal-Rundtour im Naturpark Sternberger Seenland. Insgesamt war die Strecke etwa vier Kilometer lang. Wir brauchten mit der einen oder anderen Pause knapp zwei Stunden. Die Tour führt durch Mischwald, auf einen Burgwall, durch Wiesen und dann entlang der Warnow. Gut, den Burgwall hätten wir ohne entsprechende Hinweisschilder nicht erkannt. Mehr als ein kleiner Hügel wäre das nicht für uns gewesen. Wer lautlos und kundig ist, entdeckt hier angeblich Biber und zahlreiche Vogelarten. Wir genossen vor allem die frische Luft und die verwilderte Uferlandschaft.
Eine Holzbrücke war mein persönliches Highlight. Vor der Holzbrücke gibt es den Hinweis, dass in der Warnow die seltenen und vom Aussterben bedrohten Bachmuscheln leben. Wir haben nur ihre Überreste gesehen, aber im Brückenbereich bieten zahlreiche Steine im Wasser die Möglichkeit, sich etwas in den Fluss hineinzutasten. Entlang des kleinen Spaziergangs finden sich immer wieder Hinweistafeln zu der geologischen Geschichte dieser Region und die Bänke stehen an Plätzen mit Ausblick, sodass unsere Tour sich etwas länger gestaltete.
Archäologisches Freilichtmuseum Groß Raden
In Groß Raden existierte vor tausend Jahren eine slawische Siedlung mit Heiligtum. Die Überreste wurden in den 70ern ausgegraben und die Siedlung entsprechend den Hinweisen und Überlieferungen nachgebaut.
Der Weg zum archäologischen Freilichtmuseum allerdings war etwas weiter als gedacht. Wir parkten vor dem Oldtimermuseum wie ausgeschildert und liefen von dort aus etwa einen Kilometer zum Informationszentrum. Von da aus ging es dann durch den Wald weiter, bis sich der Weg zum See und zu einem Holzwall öffnete. Für Menschen mit eingeschränkter Beweglichkeit wäre eine zusätzliche Information zur Strecke hilfreich. Meine Oma beispielsweise hätte nach der Hälfte des Weges protestierend aufgegeben. Nun, der Wald ist auch ganz nett. Ab und an stehen Bänke und Informationstafeln zur Waldwirtschaft.
Zu sehen gibt es im Freilichtmuseum Wohngebäude, Arbeitsbereiche und Kultstätten. Das Besucherzentrum war aufgrund von Covid-19 geschlossen und auch mögliche Akteure, die die Techniken vorführten, fehlten. Uns eröffnete sich hinter dem Tor quasi eine menschenleere Siedlung. Mit dem klaren Himmel und Schafsblöken im Hintergrund war das mehr eine Zeitreise in ein vor kurzem verlassenen Dorf, als uns jeder Tourguide hätte vermitteln können. Nur vereinzelte Besucher machten es uns möglich, wirklich alles in Ruhe in Augenschein zu nehmen. Wer sich ansatzweise für Archäologie oder die Kultur unserer Vorfahren interessiert, ist hier richtig.