Der Kaiserbahnhof in Joachimsthal entstand Ende des 19. Jahrhunderts. Die Kleinstadt hatte schon damals einen Bahnhof, aber welcher Kaiser will mit dem gemeinen Pöbel einen Bahnhof teilen? Zumal der neu entstandene Bahnhof ja optisch etwas hermachen musste, um wichtige Gäste die Brillanz des Kaisers vorzuführen. Dass das Jagdgebiet Schorfheide mit dem Schloss Hubertusstock gleich um die Ecke lag, war der wichtigste Grund für die Entstehung des Bahnhofs Werbellinsee, wie er offiziell hieß. Nach dem Ende der Kaiserzeit nutzen Politiker den Bahnhof als schmucken Empfangsort für Besucher. In der DDR war die Nachfrage nach Repräsentation in der Schorfheide scheinbar nicht mehr so groß und die Gebäude am Bahnhof wurden anderweitig genutzt. Bei unserer Ankunft empfangen uns zwei Damen auf einer Bank vor dem Gebäude mit freundlichen Grüßen. Eine davon führt uns durch die Zimmer und erzählt die Geschichte dahinter. Wer will, könne hier sogar heiraten. Sie nimmt sich für uns und unsere Fragen Zeit. Eintritt ist nicht nötig, aber wer möchte, hinterlässt eine Spende.
Heute ist der Bahnhof ein Baudenkmal. Anfang der 2000er wurden die Gebäude saniert. Der Bahnhof ist in seiner Architektur schon beeindruckend. Ursprünglich bestand das Gebäudeensemble aus einem Restaurant, dem Kaiserpavillon und einem Empfangsgebäude. Das Restaurant, das zugleich als Herberge diente, brannte in den 50er Jahren ab. Der Kaiserpavillon macht heutzutage am meisten her, von außen und innen. Auf dem Dach thront der preußische Adler und die Architektur mutet für einen brandenburgischen Bahnhof etwas ungewohnt an. Das liegt am nordischen Landhausstil. Innen beeindrucken im „Saal“ die hohen Fenster, die Decke und die mit Jagdmotiven verzierten Wände.
Was den Bahnhof neben seiner Architektur spannend macht, ist die neue Nutzung für kulturelle Veranstaltungen. Er ist der erste deutsche Hörspielbahnhof: Hier gibt es im Sommer Hörspiele in besonderem Ambiente. Wer damit nichts anfangen kann, nickt vielleicht wohlwollend bei dem Hinweis, dass regelmäßig andere Veranstaltungen wie Lesungen stattfinden. Sowieso gibt es hier auch was für Freunde der Literatur zu entdecken: die poetischen Bahnhofslaternen. Sie stehen am Bahnsteig und sind Laternen, die mit Gedichten versehen sind. Ideal für eine kleine Lyrikpause. Die Idee der poetischen Laternen hatte der Designer Holger Barthel.
Der Kaiserbahnhof lässt sich standesgemäß mit der Bahn erreichen. Allerdings ist er ein sogenannter Bedarfshalt. Das bedeutet, die Eisenbahn von Eberswalde nach Templin stoppt hier nur, wenn vorher dem Zugführer Bescheid gegeben wird. Parkplätze gibts aber auch und interessant für meine nächsten Pläne: Der Kaiserbahnhof ist eine Station auf dem Kaiserrundweg für Wanderer, der durch Joachimsthal und entlang des Werbellinsees führt.