Auf Entdeckungstour durch Berlin und die Welt
Tiergarten Blick auf das Gaslaternenmuseum

Der südliche Tiergarten – von alten Laternen, politischen Leitfiguren und niedlichen Baumnagern

Um den Anschein von kulturellem und technischem Interesse zu wahren, startete unser Spaziergang am Gaslaternen-Freilichtmuseum. Direkt an der Straße des 17. Juni informiert eine große Informationstafel über das Museum. Der Begriff Museum ist in dem Fall etwas hochtrabend. Denn abgesehen von dieser einleitenden und einen Überblick gebenden Informationstafel gibt es dann auf verschiedenen Wegen nur die Laternen zu sehen. Wir folgen den Weg in Richtung Schleusenbrücke. An jeder Straßenlaterne ist eine kleine Tafel angebracht, die informiert, woher und aus welcher Zeit sie ursprünglich stammt. Das Ganze wäre besonders schön anzusehen in der Dämmerung. Allerdings verfallen die Leuchten, an vielen fehlen die Lampenköpfe und überhaupt scheint sich niemand mehr, zumindest in diesem Bereich, um die Lampen zu kümmern. Das Gaslaternenmuseum ist quasi eine Open-Air-Ausstellung historischer Gaslaternen. 90 Laternen waren ursprünglich in voller Pracht zu bewundern. Mittlerweile sind mehr als 80 kaputt. Bei vielen sind keine Leuchten mehr vorhanden, bei anderen fehlen die Leuchtkörper komplett. Teilweise wurden sie zerstört und beschädigt. Das Prinzip frei zugängliches Museum funktioniert leider nicht in Berlin … Seit mehreren Jahren wird diskutiert, die Laternen ins Technikmuseum zu bringen, sie zu restaurieren und dort auf dem Gelände auszustellen.

Am Landwehrkanal entlang

An der Schleusenbrücke lockt jetzt der Schleusenkrug mit einem kühlen Getränk. Aber trotz Pandemie ist der Biergarten so voll, dass die Leute brav in Schlangen auf eine Platzanweisung warten. Weiter gehts also für uns am Kanalweg auf der Seite des Zoos. Hier lässt sich manchmal durch den Zaun schmulen und das eine oder andere Wildtier beobachten. An den Kaimauern lassen Menschen ihre Beine ins Wasser baumeln. Das Schleusenpersonal, das übereifrige Paddler an der Schleuse per Mikrofon zu Abstand auffordert, das Klirren von Glasflaschen und das Rauschen der Blätter, der am Ufer stehenden Bäume und Büsche, lässt einem die Großstadt fast vergessen.

Am Wegesrand versteckt sich hinter Sträuchern eine wie ein Grabstein aussehende Gedenktafel. Wer war denn Constantin von Doppelmair? Ein russischer Militärattaché, der 1871 hier vom Pferd fiel und starb. Warum er eine Gedenktafel bekam, ist mir nicht klar. Sein kurzes Leben war ereignisreich, aber ohne von mir findbare Verdienste um die Gesellschaft oder Menschheit. Die Gedenktafel entstand auf Wunsch des Prinzen Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, einem General, mit dem er sich während des Deutsch-Französischen Krieges anfreundete.

Der Weg führt uns zum Rosa-Luxemburg-Steg. Seit 2012 trägt der frei zugängliche Teil der Doppelbrücke offiziell den Namen Rosa Luxemburgs. In der Nähe steht ein Denkmal ihr zu Ehren. Nach ihrer Ermordung aus politischen Gründen im Januar 1919 wurde hier ihr Körper in den Kanal geworfen. Der andere Teil der Brücke ist auf dem Gelände des Zoos und hat den alten Namen Lichtensteinbrücke behalten. Denn Martin Lichtenstein war der Gründer und erste Direktor des Zoologischen Gartens.

Karl-Liebknecht-Denkmal am Neuen See

Die Lichtensteinallee hinunter führt uns der Weg zum Neuen See. Weil wir natürlich mehr an Kunst als an Kuchen interessiert sind, machen wir keinen Stopp am Café, sondern folgen der Fasanerieallee. Hier stehen zwei imposante Skulpturen namens „Hasenhetze“ und „Fuchsjagd“, die fein gearbeitet sind und verdeutlichen, was der Tiergarten ursprünglich war: Jagdgebiet. Die Kunst überzeugt mich nicht, lieber weiter zu ansprechenderen Motiven. In der Nähe liegt die Löwenbrücke. Nun, sie lag in der Nähe, denn sie ist seit 2009 geschlossen. Vorhanden sind nur die Löwenfiguren, von der Brücke ist nichts mehr zu sehen. Ebenso wenig wie von möglichen Maßnahmen, um sie wieder aufzubauen.

An Tümpeln (oder sind es Ausläufer des Neuen Sees?) vorbei nähern wir uns dem Nordufer des Neuen Sees. Hier steht das Erinnerungsmal für Karl Liebknecht, eine rötliche Klinkersäule, an deren Seite sich in Lettern sein Name befindet. Das Denkmal entstand in den 80er Jahren und erinnert an den Ort, an dem Karl Liebknecht erschossen wurde. Eine in der Nähe liegende Tafel informiert Unwissende über die Geschichte der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Eine wohlig klingende Anekdote um die Entstehung dieses Denkmals ist, dass die Informationstafel, angefertigt 1987, unter Mitarbeit von Metallwerken aus der DDR und der BRD entstand. Die Entwürfe beider Denkmäler für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gehen auf Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte zurück.

Und dann ein paar besondere Wasservögel

Vom Neuen See aus spazieren wir wieder zurück Richtung Straße des 17. Juni. Entlang des Wasserlaufs gibts für Naturfans allerlei Kraut und Gewächs. Kaninchen huschen wenig schüchtern vorbei. Die Enten hingegen scheinen unschöne Erfahrungen mit den Menschen hier gemacht zu haben. Sie bleiben auf Abstand. Mein Highlight sind aber die drei dicken Biber, die sich auf der anderen Seite eines Wasserlaufs erst an einem Strauch genüsslich tun und dann überraschend plump ins Wasser fallen lassen. Biber gab es bis in die 90er hinein nicht mehr in Berlin. Mittlerweile existieren in der Hauptstadt verschiedene Biberreviere. Eines davon im Tiergarten. 2018 waren die Tiergarten-Biber so aktiv, dass sie mit ihren Maßnahmen den Wasserstand des Neuen Sees erhöhten. Der Tiergarten bietet also durchaus neben überfüllten Mülleimern, Skulpturen und Denkmälern reichlich Gelegenheit, die urbane Natur kennen zu lernen.

Comments (1):

  1. silla

    13. August 2020 at 8:51

    Der Artikel gefällt mir sehr gut. Ich muss da wohl mal hin

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