Auf Entdeckungstour durch Berlin und die Welt
Eingangsbereich des Wasserturms mit orange-farbener Wand und einem Zitat zur Harmonie von Wildnis und Kunst in Metalllettern.

Wildes Berlin im Natur-Park Schöneberger Südgelände

Der Natur-Park ist das beste Beispiel dafür, wie sich ungenutzte Flächen in grüne Oasen mitten in der Stadt umwandeln lassen. Der Park liegt auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Tempelhof. Überall sind die Spuren der Eisenbahn zu entdecken. Wie sich die Natur ihren Platz auf diesem durchstrukturierten mit Schienen durchzogenen Gelände zurückerobert hat, ist zauberhaft. Überwucherte Gleise oder Kräne und Wände, die jetzt als Stütze für Kletterpflanzen dienen, begeistern mich. Das ganze Areal hat den Charme eines Lost Place, obwohl die Wege sehr gepflegt sind.

Für Eisenbahnromantiker

Der Rangierbahnhof wurde Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet. Seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts war der Betrieb auf dem Gelände eingestellt. Wahrzeichen des Natur-Parks ist der Wasserturm und eine alte Lok. Der rote Wasserturm überragt die Bäume, ist im Park aber durch die wuchernde Wildnis hindurch selten zu sehen. Er ist über 50 Meter hoch und lieferte das Wasser für den Bahnbetrieb auf dem Rangierbahnhof. Wer sich für Eisenbahngeschichte und Technik interessiert, wählt ihn als ersten Anlaufpunkt. Denn um ihn herum finden sich weitere technische Relikte.

Die Lok ist das Fotomotiv schlechthin. Als wir sie entdeckten, tummelten sich hier die Besucher. Die Dampflokomotive stammt aus den 40er-Jahren und war bis in die 80er hinein in Betrieb. In der Nähe der Lok ist eine Open-Air-Ausstellung zur Geschichte des Rangierbahnhofs und des Naturparks. Persönlich fand ich die Drehscheibe am interessantesten. Sie gehört zu den ältesten Drehscheiben Deutschlands. Ein Blick in den denkmalgeschützten Lokschuppen schadet nicht. Und dann geht es weiter, auf dem ganzen Areal sind Gleise, Weichen und andere Spuren der ehemaligen Nutzung zu entdecken.

Für Naturfreunde

Auch wenn es Park heißt, ist hier die Natur sich größtenteils selbst überlassen. Das bedeutet keinen Rasen oder gepflegte Beete, zumindest nicht im großen Stil. Denn im Eingangsbereich gibt es eine größere Grünfläche. Als wir daran vorbeikamen, probte ein Chor – Open-Air-Konzert zum Mitnehmen quasi. Auf dem Areal finden regelmäßig Veranstaltungen statt und hier führt auch die Shakespeare Company Berlin ihre Inszenierungen auf.

Ein Rundweg leitet durch das Areal. Immer wieder stehen Bänke am Rand, sodass sich die Ruhe und eine mitgebrachte Stulle genießen lassen. Zu sehen gibt es wild wachsende Bäume und Sträucher und Wiesen. Jetzt im Juni ist die Blütezeit der Wildrosen und farbtechnisch ist einiges los an den Wegesrändern. Ein Teil des Naturparks ist zudem ein Naturschutzgebiet. Um hier den Boden und die Tiere nicht zu stören, führt ein höher gelegter Metallsteg durch das Areal. Immer wieder gibt es Informationstafeln, die über die hier wachsenden Pflanzen und lebenden Tiere informieren. Das Gebiet ist die Heimat für bedrohte Vögel und Insekten. Das Highlight für Pflanzenkenner sind wohl die Großpilze und die Habichtskräuterarten, die es in Berlin und Brandenburg nur hier gibt. Angeblich leben hier Schafe, aber wir haben sie nicht gesehen.

Dass dieser Park in der Form existiert, ist auch auf Bürgerinitiativen zurückzuführen. In den 80ern sollte das überwucherte Gelände gerodet werden, zum Teil um die Planungen für einen Güterbahnhof vorzubereiten. Initiativen konnten aber zeigen, dass das mittlerweile wilde Gelände Heimat für bedrohte Pflanzen- und Tierarten war und so wurde die Planung einer Neunutzung aufgegeben.

Für Kunstinteressierte

Open Air, Natur und Kunst ist für mich eine unwiderstehliche Kombination. Die hier zu entdeckenden Kunstwerke sind in die Wildnis integriert. Die Gruppe Odious hat sich am vorherrschenden Material des Rangierbahnhofs orientiert und Stahlkunstwerke geschaffen. Odious ist eine Künstlergruppe, die sich in den 80ern gründete. Von diesen Künstlern sind die Stege, Skulpturen, der kleine Aussichtsturm und die Sitzmöglichkeiten, die im Park verteilt sind.

Direkt neben dem Wasserturm gibt es zudem die Kunstinstallation Giardino Segreto (auf Deutsch „der geheime Garten“): ein künstlerischer Garten auf einem ehemaligen Lagerplatz. Neben Blumen sind hier Stahlknäuel und Skulpturen zu entdecken. Diese Strukturen und Ordnung bilden einen Kontrast zum Rest des Parkes und passen zugleich genau hierhin, weil mit den vorhandenen Steinwänden und Bauten gespielt wird. Neben offiziellen Kunstwerken gibt es im Park einen Tunnel und eine Mauer, die für Sprayer freigegeben ist. Da lohnt sich ebenfalls ein kleiner Zwischenstopp.

Wir haben im Natur-Park mit zahlreichen Foto- und Picknickstopps so zwei, drei Stunden verbracht. Das Gelände hat einen Rundweg mit etwa drei Kilometern. Im Eingangsbereich am Prellerweg liegt die ehemalige Brückenmeisterei mit einem Café. Das hatte bei unserem Besuch (vielleicht coronabedingt) nicht offen. Beim Aufenthalt ist zu beachten, dass Hunde und Fahrräder nicht erlaubt sind.

Comments (2):

  1. sylvia

    21. Juni 2021 at 10:10

    Ich habe schon mal ein Bericht im Fernsehen dazu gesehen, da wollte ich schon immer mal hin, ich wußte nur nicht mehr wie es heißt. Sehr schöner Beitrag!

    Antworten
    • Sabine Arndt

      21. Juni 2021 at 10:16

      Danke 🙂 Ich fand’s richtig schön dort, berichte dann, ob es dir genauso gut gefällt.

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert